Pressemitteilungen Nord-Süd Stadtbahn Köln
26.03.2009 Rede von Herrn Jürgen Fenske, Sprecher des Vorstandes der Kölner Verkehrs-Betriebe AG in der Sitzung des Rates der Stadt Köln vom 26. März 2009
In den Tagen nach dem Unglück vom 3. März 2009 wurde die KVB in der Öffentlichkeit angeprangert. Egal, was die KVB bekannt gab, verschiedenste Theorien und Analysen zu den Unfallursachen prasselten nur so auf uns ein.
Deshalb konnte die KVB auch in den Tagen nach dem Unglück, in der Öffentlichkeit und in der Presse kein überzeugendes Bild abgeben.
Das hat auch das Vertrauen berührt, in der Öffentlichkeit, in den Gremien und im Rat. Insbesondere zwei Punkte sind nicht in Ordnung gewesen:
Die Darstellung im Rat am 11. März 2009 zur Wasserhaltung am Bauwerk Waidmarkt. Meinen Bericht an den Rat der Stadt Köln, habe ich auf der Grundlage der mir damals gegebenen Informationen gegeben. Ich habe die Wasserhaltung als "entspannt" dargestellt.
Tatsächlich hat sich herausgestellt, dass zum einen die wasserrechtliche Erlaubnis überschritten war und zum anderen die Wasserhaltung am Waidmarkt durchaus eine Herausforderung war, auf die dann mit den zusätzlichen Brunnen reagiert wurde, so dass im Baustellenprotokoll vom 26.1.2009 vermerkt wurde, die Grundwassersituation ist entspannt.
Ich bedauere, dass ich durch meine Ausführungen im Rat am 11.3. auf der Grundlage der mir gegebenen Informationen etwas berichtet habe, was sich im Nachhinein als unvollständig erwiesen hat.
Gelernt habe ich daraus, Informationen noch kritischer zu hinterfragen.
Nicht richtig war auch, dass der Vorstand der KVB vor dem Hintergrund der öffentlichen Debatte nicht aktiv über den von der ARGE behaupteten sog. kleinen hydraulischen Grundbruch vom September 2008 informiert hat, als er davon am 12.3.2009 Kenntnis erhielt. Nicht informiert hat in den Gremien und nicht vollständig informiert hat im Hauptausschuss am 19.3.2009. Die vollständige Beantwortung konnte erst am 23.3.2009 im Aufsichtsrat erfolgen. Der Vorstand der KVB hat zwar nach dem 12.3. mit Hochdruck recherchiert, aber der Vorstand hätte vorher mit dem Hinweis auf die notwendige und noch ausstehende Recherche früher informieren müssen, dass sich im Baustellenprotokoll der Hinweis auf einen Grundbruch befindet.
Persönlich habe ich nur die Erklärung, dass mir dieser wichtige Punkt zwar nicht in der Sache - denn die Recherche war unverzüglich veranlasst -, aber in der Information durchgerutscht ist. Dafür kann ich mich nur entschuldigen und es mir nur erklären durch die enorme Anspannung und viele gleichzeitige und immer wieder neue Themen zum Unglück am Waidmarkt.
Das Misstrauen, das daraus gewachsen ist, tut mir leid für die Beschäftigten der KVB, für die Öffentlichkeit, die Vertreter in den Gremien, im Rat, für diejenigen, die gerade mich als neuem Vorstand mit Vertrauen ausgestattet haben, insbesondere aber für die Opfer und ihre Angehörigen sowie die Geschädigten des Unglücks.
Ich möchte aber an Sie sehr eindringlich appellieren: Leiten Sie daraus nicht ab, dass der Vorstand der KVB nicht aufklären will. Dazu sind wir den Kölner Bürgern, der bundesweiten Öffentlichkeit und insbesondere gegenüber den Opfern verpflichtet.
Daher arbeiten wir selbstverständlich von Anfang an kooperativ mit der Staatsanwaltschaft zusammen und haben dort sofort alle Unterlagen vollständig vorgelegt, auch die Baustellenprotokolle.
Erst seit dem 12.3. weiß ich, dass die wasserrechtliche Erlaubnis überschritten war und es im September einen hydraulischen Grundbruch gegeben haben könnte. Ob es bereits im September 2008 einen hydraulischen Grundbruch mit Auswirkungen auf die Sicherheit gegeben hat, wird nun die Staatsanwaltschaft prüfen. Betonen möchte ich, dass wir die Staatsanwaltschaft dabei bedingungslos unterstützen.
Im Hinblick auf die enormen Belastungen der zuständigen Mitarbeiter, die seit dem 3. März durchweg 16-Stunden-Tage ohne Wochenende haben, hat der Vorstand beschlossen, dass unsere Nord Süd Stadtbahn neben zahlreichen zusätzlichen Gutachtern künftig bis zur Inbetriebnahme der Nord Süd Stadtbahn von einem erfahrenen U-Bahnbau-Experten verstärkt werden soll. Dieser neue Experte wird das Scharnier zwischen Vorstand und Projektleitung bilden.
Es ist die Aufgabe der zuständigen Gremien, zu beurteilen wie groß der Vertrauensverlust durch Defizite in der Information ist. Meine Pflicht ist es, sicherzustellen, dass alle zuständigen Gremien die Informationen erhalten, die sie für ihre Arbeit benötigen.
Zum hydraulischen Grundbruch im September 2008. Unser Studium der Akten hat folgendes ergeben:
• Erstmals am 6.6.2008 wird der Aufsichtsrat über das Anbringen zusätzlicher Brunnen informiert. Dies wurde dem Aufsichtsrat als normale durchzuführende Arbeitsvorgänge berichtet. Der Aufsichtsrat wurde über die nun von mir vorzutragende Ablaufschilderung in seiner Sitzung am 23.März 2009 umfangreich informiert. Bitte beachten Sie das Datum der Information an den Aufsichtsrat. Es ist der 23. März, also vor drei Tagen.
• Am 18.8.2008 reicht die ARGE eine sog. Mehrkostenanzeige ein, mit der sie auf zusätzliche Maßnahmen verweist, um einem möglichen hydraulischen Grundbruch entgegenzuwirken.
• Die ARGE schlägt als Gegenmaßnahme zusätzliche Brunnen vor.
• Am 8.9.2008 vermerkt die ARGE im Bautagebuch: "Behinderung infolge erhöhten Wassereintritts im Bereich des Brunnens B 3."
• Am 9.9.2008 fordert die ARGE in einer Mehrkostenanzeige zusätzliche Brunnen. Es sei zu einem kleinen hydraulischen Grundbruch gekommen. In einem Schreiben vom 18.9.2008 heißt es in einem Schreiben der ARGE an die Projektleitung der KVB, dass sich am Brunnen B 3 ein hydraulischer Grundbruch angekündigt habe. Unklar ist, ob es nun tatsächlich einen Grundbruch gegeben hat oder sich dieser angekündigt hat. Zur Bewertung muß man sich vergegenwärtigen, dass im September die Baugrube erst zu ca. 2/3 ausgehoben war.
• Die Projektleitung der KVB gibt die Vorschläge für zusätzliche Wasserhaltung bzw. Brunnen an das Erdbaulaboratorium Essen als Sachverständigem. Erdbaulaboratorium stimmt dem Vorschlag zu.
• Weitere Brunnen werden angelegt.
• Am 9.12.2008 wird im Baustellenprotokoll erstmals vom hydraulischen Grundbruch im September gesprochen. Dies zieht sich dann fortan mit immer derselben stereotypen Formulierung durch die nachfolgenden Protokolle: "Nach Ansicht der ARGE Süd wird aufgrund des hydraulischen Grundbruchs im September ein erneuter Verzug von voraussichtlich 4-6 Wochen eintreten." Dieser Satz findet sich immer unter dem Stichwort Terminplan, nicht unter Bauaktivitäten. Das deutet darauf hin, dass unter der Rubrik "Bauaktivitäten" im Baustellenprotokoll keine Besonderheiten festgehalten wurden, sondern lediglich unter der Rubrik unter "Termine" die Verzögerung an der Baustelle mit diesem hydraulischen Grundbruch umschrieben wurde. Eine Bedenkenanzeige, also der förmliche Hinweis auf Probleme, hat es von der ARGE nie gegeben.
• Am 26.1.2009 heißt es dann im Protokoll der Baubesprechung: "Das Grundwasser wurde erfolgreich abgesenkt. Das Grundwasser unterhalb der Braunkohleschicht ist ausreichend entspannt."
Was heißt das nun in einer ersten vorläufigen Bewertung? Es musste zusätzliche Brunnen geben, um den Wasserdruck in der Braunkohleschicht im Tertiär zu entspannen. Nicht bekannt war, dass damit die wasserrechtliche Erlaubnis überschritten war und im September ein Grundbruch stattgefunden haben soll. Ob es einen hydraulischen Grundbruch tatsächlich gegeben hat oder sich einer am Brunnen B 3 angekündigt hat und ob dies im Zusammenhang mit dem Unglück steht, wird die Staatsanwaltschaft klären.
Im Lenkungsausschuss, in dem der Vorstand der KVB und die Stadt vertreten sind, ist an keiner Stelle über die problematische Wasserhaltung am Waidmarkt berichtet worden, hier findet sich lediglich der Hinweis, dass zusätzliche Brunnen gesetzt wurden. Auch unter der ständigen Rubrik "Besonderheiten" findet sich kein Hinweis auf Risiken.
Zwei Fragen stellen sich:
• Haben die Bauunternehmen die Situation richtig beurteilt und richtig gehandelt? Zuständig ist die ARGE, und zwar für die Planung und für die Ausführung ihrer Baugrube und für die sog. Verkehrssicherungspflicht, also dafür, dass von ihren Bauarbeiten keine Gefahren für Dritte ausgehen.
• Hat die Bauüberwachung der KVB am Waidmarkt die notwendigen Maßnahmen ergriffen? Die KVB trifft nur eine "sekundäre", also nachrangige Verkehrssicherungspflicht, d. h. sie muss, wenn sie Fehler der ARGE beim Bau erkennt oder hätte erkennen können, darauf hinwirken, dass diese unverzüglich abgestellt werden.
Diese Fragen wird die Staatsanwaltschaft klären und nur die Staatsanwaltschaft mit Hinzuziehung ihrer Sachverständigen kann dies tun.
Bitte lassen Sie mich aber noch einmal betonen:
Die KVB hat nicht die Rolle der Staatsanwaltschaft, auch wenn das von Teilen der Öffentlichkeit und den Medien erwartet wird. Die Staatsanwaltschaft hat den gesetzlichen Auftrag aufzuklären. Unsere Pflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft ist es, alle Beiträge zur Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft zu leisten. Und dies tun wir von Anfang an.
In dem Baustellenprotokoll über die Besprechung vom 17.2.2009 findet sich auch der Satz: "Durch 2 Schlitzwandfugen im Block 2 dringen weiterhin größere Mengen Wasser in die Baugrube."
Auch hier darf ich Ihnen ausdrücklich ohne jede eigene Wertung mitteilen, was wir dazu recherchiert haben:
• Die undichten Stellen befanden sich nicht unmittelbar am Schadensort.
• Das eindringende Wasser hat kein Erdreich mitgeführt.
• Die undichten Stellen wurden erfolgreich verpresst, d.h. abgedichtet.
Zurzeit werden die sog. Schlitzwandprotokolle ausgewertet. Eine Bewertung aus Sicht der KVB werden wir der Staatsanwaltschaft unverzüglich zur Verfügung stellen.
Selbstverständlich haben wir mit den von uns neu eingeschalteten Gutachtern auch die Überprüfung aller weiteren Schlitzwände an den anderen Bauwerken veranlasst. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, sind uns keine Auffälligkeiten mitgeteilt worden. Und man muss berücksichtigen, dass die Schlitzwände als Schutz vor Wasser und Erdreich nur für den Aushub gebraucht werden. Nach dem Rohausbau der Bauwerke haben die Schlitzwände keine Funktion mehr. Dies ist an den Stationen Breslauer Platz, Bonner Wall und in großen Bereichen des Chlodwigplatzes der Fall.
Ich will an dieser Stelle auch sagen, ich beteilige mich jetzt nicht an einer öffentlichen Diskussion über Zuständigkeiten der Stadt, der KVB und den bauausführenden Firmen. Das kommt nämlich in der Öffentlichkeit zu Recht als ein unerträgliches Hin und Herschieben von Verantwortlichkeiten an. Das von der KVB beantragte gerichtliche Beweissicherungsverfahren und die Staatsanwaltschaft Köln wird die Schuldfrage zu klären haben.
In den letzten Wochen allerdings ist heftig spekuliert worden. Deshalb möchte ich noch einmal betonen:
• Die Entwurfsplanung kommt von der Stadt Köln. Diese ist am Waidmarkt jedoch nicht ausgeführt worden, sondern ein Sondervorschlag der ARGE. Diesem ist im Einvernehmen mit der Stadt zugestimmt worden.
• Die bauliche Ausführungsplanung und die Bauausführung kommen von den Baufirmen, diese haben auch die Verkehrssicherungspflicht, d.h. sie sind für die Sicherheit ihrer Bauwerke verantwortlich.
• Die bauliche Ausführungsplanung wird vom Bauherrn KVB unter Mitwirkung seiner Projektsteuerer der INGE PNS freigegeben und von dem Prüfingenieur genehmigt.
• Der Bauherr KVB hat mit sog. sachkundigen Personen die hoheitliche Aufgabe der Bauaufsicht von der Technischen Aufsichtsbehörde Düsseldorf in Teilen übernommen. Die Bauaufsicht hat die Aufgabe, die gesamte Bauausführung zu kontrollieren. Ihr untersteht die örtliche Bauüberwachung an den einzelnen Baustellen. Die Bauoberleitung wird von der INGE PNS wahrgenommen, die wiederum der Projektleitung untersteht.
• Die örtliche Bauüberwachung hat die Aufgabe, die einzelnen Baustellen zu kontrollieren. Die Bauüberwachung wird entweder von der KVB selber (Heumarkt und Waidmarkt) oder von einem Ingenieurbüro übernommen. Die Bauüberwachung der KVB wird von fachlich qualifiziertem Personal, das früher im Amt 69 beschäftigt war, übernommen.
• Die Technische Aufsichtsbehörde hat sich von der Regelung der Zuständigkeiten und der Qualifikation des Personals überzeugt. Wir haben nunmehr der Technischen Aufsichtsbehörde angeboten, noch einen weiteren hochqualifizierten Bauingenieur mit der weiteren Begleitung der Bauarbeiten zu beauftragen, der einen neutralen Standpunkt einnehmen soll und nicht den Weisungen der KVB unterliegt.
Lassen Sie mich abschließend auf einen wichtigen Punkt hinweisen:
Die KVB steht im Spannungsfeld eines gerechtfertigten öffentlichen und politischen Aufklärungsinteresses einerseits sowie der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und eines gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens andererseits. Jede öffentliche Äußerung der KVB, die Veröffentlichung von Dokumenten kann am Ende des Tages die Lage der KVB, zurückhaltend formuliert, in den gerichtlichen Verfahren und Auseinandersetzungen erschweren. Denn es besteht ein Ungleichgewicht zu den bauausführenden Firmen, die sich zum Unglücksfall kaum bzw. gar nicht äußern. Dies kann am Ende mit erheblichen Konsequenzen für die KVB und die Stadt Köln verbunden sein. Hier gilt es durch angemessene Zurückhaltung in der Öffentlichkeit, Schaden vom Unternehmen KVB und somit auch der Stadt Köln abzuhalten. Dies ist nach Aktiengesetz auch die Verpflichtung des Vorstandes. Meine herzliche Bitte ist, dies im Interesse aller Beteiligten zu berücksichtigen.
Gemeinsam sollten wir auch prüfen, ob wir die staatsanwaltlichen Ermittlungen überhaupt ersetzen können. Im letzten Hauptausschuss klang ja schon durch, dass wir uns alle mit diesen umfangreichen Fragen und Antworten zu vielen Details überfordern könnten. Ich denke, wir sollten uns verstärkt auf das rechtsstaatliche Instrument der staatsanwaltlichen Ermittlungen besinnen und hierzu unsere Beiträge leisten.
Der Schwerpunkt unserer Arbeit muss dagegen sein, den Geschädigten schnell und unbürokratisch zu helfen, die Schäden zu beseitigen und die Bauarbeiten unter Beachtung höchstmöglicher Sicherheitsstandards zu Ende zu führen. Damit gewinnen wir Vertrauen zurück.
Hinweis an die Redaktionen: Es gilt das gesprochene Wort.
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